Religion kann man nicht mit Weltanschauung gleichsetzen. Religion bedeutet aus dem Lateinischen 'Rückbindung'. Selbst Cicero verwendet aber den Begriff Religion in einem anderen Sinn.
Das habe ich so auch nicht behauptet - ich sehe Religion - in der Praxis einer weltanschaulich freien Welt - als "Submenge" von Weltanschauung. Nicht mehr und nicht weniger.
Allerdings sagt "Rückbindung" selbst auch erst mal nicht viel aus - worauf und warum wie wofür wird sich wer wann zurückbinden?
Ich denke der klassische Begriff "Religion" ist so nicht mehr für eine (moderne) gesetzgebung geeignet. Demnach sollte man entweder:
- die Begrifflichkeit neu klären, um daraus dann mögliche Rechtsfolgen abzuleiten, die zu überprüfen sind
ODER
- den Begriff durch einen klarer definierten / aber vor allem definierenden ersetzen
D.h. nicht, das man dazu alle möglichen Gesetze "umkrempeln" oder auch das Grundgesetz inhaltlich ("in Ihrem Wesensgehalt") ändern muß - es geht lediglich um eine Präzisierung der bestehenden Gesetze. Mag aber schon sein, das man dann feststellt, das man das (heute) - oder bestimmte Gruppierungen - so alles gar nicht mehr will.
Den Unterschied Religion vs. Weltanschaung kann man an der Person A. Hitler festmachen. Hitler war religionslos, seine Weltanschaung zeigte sich aber ganz perfide in seinen Taten.
nein,
er ist sogar ein gutes Gegenbeispiel.
Nicht wenige heutige ("Neo-")Nazis sehen in Hitler eine Art "Messias" dessen Lehre klar weltanschauliche Züge hat(te). Selbst Göbbels sah in Hitler - wie er selbst in seine Tagebücher kritzelte: "den Erlöser" - um hier nur einen seiner vielen Begriffe auszukramen.
Bisher hat mir niemand klar definieren können, was GENAU Religion ist und damit vor allem was NICHT. Demnach scheint der Begriff zumindest nicht klar abgrenzend zu wirken, was die betr. Gesetze, die ihn verwenden, unscharf und damit konfliktbehaftet werden bzw. sein lässt. Lasse mich aber gern eines besseren belehren, wenn jemand eine schlüssige Abgrenzung hat.
Ich bin der Meinung, das JEDER die Möglichkeit haben sollte, seinen eigenen Glauben bzw. Weltanschauung zu haben und die Option daraus resultierenden Riten, Kulten und Verhaltensnormen ungestört nachzugehen (soweit diese nicht gegen geltendes Recht oder Gesetz verstoßen - so wie bisher). Wer wollte ihm das - vor allem WARUM - verwehren, wenn es (einigen oder allen) anderen auch erlaubt ist?
In den USA (die ich sonst ungern als "Vorbild" sehe) geht man da folgenden Weg:
Bei Organisationen unterscheidet man m.W. zwischen "gemeinnützigen" und "gewinnorientierten" Unternehmen. Gemeinnützige Organisationen dürfen steuerfrei agieren. Kirchen kann jeder sogar offiziell jederzeit gründen, ob diese als "gemeinnützig" anerkannt wird oder nicht, legt die Satzung der Organisation fest. Dem Staat ist es darüberhinaus relativ egal, was Inhalt, Glaube und Weltanschauung der Mitglieder ist. Demnach hat Scientology die selben rechte und Pflichten wie alle möglichen Sekten und Glaubensgruppen, die katholische oder evangelikale Kirche. Ist das so schwer? Sicher ist Scientology nicht gerade jedermanns Sache und geht u.U. auch kriminellen Machenschaften nach - dann aber kann und muß man diese in einem Rechtsstaat anhand ihrer kriminellen Tuns dingfest machen, denn niemand sollte den Glauben eines anderen bewerten dürfen.
Was würde wohl passieren, wenn in Deutschland - vielleicht sogar in Bayern oder auf dem Eichsfeld - jemand seine eigene Kirche gründet um dann über das FINA eigene Steuern erheben zu wollen oder um täglich mit Heavy-Metal Musik aus Lautsprechern Städte und Dörfer zu beschallen (in der selben Lautstärke - ev. sogar noch zu den selben Zeiten - wie die lokalen Kirchenhäuser)?
Die Bezeichnung "GrundGesetz" halte ich persönlich für gar nicht so antiquiert - eine Umbenennung oder Neufassung in "Verfassung" fände ich gut, halte aber die aktuell politisch Zuständigen für nicht unbedingt geeignet (wenn ich allein an Schäuble mit seinen "sonderbaren Vorstellungen" von "Rechtsstaat"denke) eine auch nur ebenso freiheitliche Verfassung auf die Beine zu stellen.
Tatsächlich IST unsere heutige Gesetzgebung recht vielfältig durch eine Religion / Weltanschauung - das Christentum - geprägt und damit eigentlich nicht mehr zeitgemäß, wenn man tatsächlich Staat (also auch die Gesetzgebung) und Religion / Kirche / Weltanschauung getrennt halten will. Das Argument der Lobbyisten "christlicherseits" das "Abendland hätte ja eine traditionell christliche Prägung, die auch Nicht-Christen heute geprägt habe" so halte ich das für diskriminierend gegenüber Nichtgläubigen / - kirchlichen oder auch "Anti-theistischen". Es käme ja auch keiner auf die Idee, die Nazi-Zeit oder 40 Jahre SED-Regime ähnlich zu betrachten, obgleich alle den Menschen mehr oder weniger "aufgepresst" worden sind damit auch alle unbestrietbar "Prägungen" hinterlassen haben.
Als einzelne Beispiele sehe ich da u.a.:
- Sterbehilfe
- Selbsttötung
- Abtreibung (wenn auch mittlerweile weitgehend gelockert)
- freie Wahl der Bestattungsform
- Stammzellenforschung
- gesetzliche Feiertage (die wollte sich jeder Bürger ggf. selbst zuteilen können o.ä.)
- Verbote von Feiern / Tanzveranstaltungen an bestimmten christlichen Feiertagen
- baurechtliche Fragen
- Versammlungsrecht
usw.
Sicher sind einige der hier genannten Zusammenhänge sicher gesellschaftlich kritisch - das Argument der Gegner, "die christliche Prägung müsse beachtet" werden, hat da m.E. nichts zu suchen. Ebenso wird auch die Forderung nach einem "Gottesbezug" in der EU-Verfassung (oder auch Grundgesetz) diskriminierenderweise begründet...
Immerhin nimmt die zahl der Kirchgänger ebenso ab wie die zahl der christlich Gläubigen, während andere Glaubensformen oder Weltanschauungen zunehmen.