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Re: Lasset Eure Kindlein zu uns kommen
Verfasst: Dienstag 9. März 2010, 20:04
von niels
nun,
grundsätzlich traue ich einem unserer Gesetze erst einmal mehr als Wikipedia & Co., Zumal die Aussage "das in Deutschland keine Anzeigepflicht bestehen würde" so nicht - jedenfalls nicht uneingeschränkt stimmen kann.
Dies wiegt umso schlimmer, als von fortführendem Begehen solcher Taten auszugehen ist oder diese wahrscheinlich sind.
PP 258 Abs. 1 bringt es eigentlich auf den Punkt. Ein Staatsanwalt wird dann tätig, wenn er aufgrund ihm vorliegender Tatsachen dringenden Verdacht hat oder wenn jemand anzeigt. Die Details der Fälle hier kenne ich zu wenig und mir ist nicht bekannt, wie weit die Anzeigepflicht bzw. Vereitelung ebenfalls verjährt.
Dazu kommt, das Erzieher bzw. "inhaber" von Aufsichtspflichten über Schutzbefohlene wohl auch zusätzliche Pflichten haben - also auch bzgl. Melde- / Anzeigepflichten (der betroffene Schutznefohlene kann dies ja selbst nicht).
In einer kleinen katholischen Stadt wird sich manch Staatsanwalt aber schon überlegen ob er einen guten Teil seiner Gemeinde bzw. Kirche gegen sich aufbringt. Nehm ich einfach mal an.
Mein Eindruck ist und bleibt, das diese juristische Sachlage nur ungern auf den Tisch kommen soll. Eine Verlängerung von Verjährungsfristen wäre in einigen der Fälle wohl unnötig gewesen, wenn Mitwisser ausgepackt / eingeschritten wären. Da sehe ich übrigens auch die Hauptschuld der Kirche - vor allem wenn diese die betr. Straftäter für "krank" o.ä. befindet. Kann ja nicht sein, das die gesamte Kirchenoberriege auch "krank" ist oder war...
Re: Lasset Eure Kindlein zu uns kommen
Verfasst: Sonntag 14. März 2010, 11:21
von Heinrich5
Es rumort mächtig in den eigenen Reihen
Jetzt setzen auch noch Kirchenrefomer den Papst immer stärker unter Zugzwang. Die katholische Bewegung "Wir sind Kirche" macht ausdrücklich den Papst für den Missbrauchsfall in seiner Zeit als Münchner Erzbischof verantwortlich. Damals wurde ein vorbelasteter Priester in der Gemeindearbeit eingesetzt. Die Reformer halten eine Entschuldigung für überfällig.
Der Sprecher von „Wir sind Kirche“ widersprach der Ansicht des Münchner Erzbistums, wonach der frühere Generalvikar Gerhard Gruber die „volle Verantwortung“ in diesem Fall trage. Die letzte Verantwortung habe bei Ratzinger gelegen – wegen des „hierarchischen Prinzips“ in der Kirche, meint die Gläubigen-Organisation.
Das Zölibat soll gelockert werden – Pflicht zur Ehelosigkeit wird auch von Bischof in Frage gestellt
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, brachte in der „Süddeutschen Zeitung“ins Gespräch, das Eheverbot für katholische Priester – das Zölibat – zu lockern. Die sei „ein Weg“. Die Kirche müsse „Konsequenzen struktureller Art ziehen und dabei reflektieren, ob es kirchenspezifische Bedingungen gibt, die den Missbrauch begünstigten.“
Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke stellte die Pflicht zur Ehelosigkeit im „Hamburger Abendblatt“ ebenfalls infrage.
http://www.welt.de/politik/deutschland/ ... nl_Politik
Re: Lasset Eure Kindlein zu uns kommen
Verfasst: Sonntag 14. März 2010, 12:17
von niels
nun, ich kenne den Papst Hrn. Ratzinger persönlich wohl kaum besser als die allermeisten anderen Deutschen.
Die nun von einem ehemaligen Schüler des Bruders Ratzingers erhobenen Vorwürfe, diese habe ihn als Kind mit aus heutiger Sicht fast schon sadistischen Erziehungsmethoden mißhandelt - z.B. Schläge und andere Gewaltdelikte, scheinen auf den ersten Blick so gar nicht auf den Bruder zu passen, der von vielen wohl als der "ruhigere" oder "zurückhaltende" Part der Brüder eingeschätzt wurde.
Mein persönlicher Eindruck, beide entstammen aus einem erzkatholischen, strengen (typisch byrischen) Elternhaus in der elterliche Liebe noch mit Gewaltstrafen "vermittelt" wurde (nach dem ehemaligen [Kirchen-]Motto: "wer seinen Sohn liebt, der züchtigt ihn"...) scheint sich mir nur einmal mehr zu bestätigen.
Gewalt war in der katholischen Kirche auch und vor allem gegen Kinder ein offenbar "integres" Mittel der Erziehung. Selbst in meiner Familie gab es wohl kein männliches Mitglied, welches nicht mindestens einmal vom Dorfpfarrer mit dem Prügelstock bzw. der flachen Hand traktiert oder an den Ohren umhergezogen wurde. Dabei waren meine Vorfahren weder für Aufsässigkeit oder Faulheit bekannt - auch nach damaligen Maßstäben.
Selbst meine "Generation" hat noch eine ganze Reihe solcher "Traktierungen" in den verschiedensten Formen von Gewalt (aus heutiger Sicht war es in jedem Fall Gewalt...) in der Kirche - hauptsächlich von den damaligen jeweiligen (also einer ganzen Reihe...) Pfarrern - miterleben dürfen - gegen sich selbst oder gegen andere Altersgenossen.
Kein Kind hätte sich daheim getraut von solchen Vorfällen zu berichten. Wenn doch, gab's da auch gleich nochmal Ärger, weil man den Pfarrer verergärgt habe und der bekanntlich (wie auch die SED zu der Zeit) "immer recht" hatte.
Mein Eindruck war, das sich viele Pfarrer dieser "Sonderstellung" - eine Art "Unantastbarkeit" - bewusst waren und diese auch entsprechend "auslebten". Je religiöser geprägt eine Region oder Gesellschaft, desto stärker ist die Integrität ihrer Priester, was nicht wenige von den betreffenden auch zu wissen scheinen...
In diesen Fällen kämen wohl auch Zimbardos (Christel) Erkenntnisse zur "Destruktivität" zum tragen. Allerdings ist mein Eindruck nicht, das der Mensch boshaft oder "destruktiv" geboren wird, sondern diese Eigenschaften erst durch Erziehung und Aufzucht geprägt bzw. "aktiviert" werden, wobei ich mit meinen Vorstellungen Freud's Konzeption von der "Über-"Mutter wie dem "Über-"Vater" weitgehend folgen kann.
Schaut man sich mal die Persönlichkeiten "hinter" den heute diskutierten / bekannt gewordenen "Mißhandlern" mal im Detail an, bin ich davon überzeugt das sich bei vielen gleich mehrere Parallelen wiederfinden dürften. Neben einer strengen, stark durch religiösen Glauben geprägten Erziehung, in der Gewalt probates "Erziehungsmittel" war, findet sich nicht selten auch eine "spannungsbehaftete" Beziehung zur Sexualität. Sexualität war z.B. "schlecht" aber man erfuhr irgendwann, das die "heilige Mutter" auch Sex gehabt haben musste - anders wär man ja nicht geboren worden.
Nur die Übermutter und "heilige Jungfrau" Maria hatte das Privileg ein Kind zu bekommen ohne sich dabei zu "beflecken", ohne sich zu "versündigen" oder was auch immer...
Sexualität wurde weder gelernt noch kommuniziert, obgleich gerade die pupertierenden Jungen merkten, "das da irgendwie mehr ist...". Die damals noch weitaus übetriebenere Prüderie in vor allem ländlich,religiösen Familien sah Sexualität ausschließlich als Sünde, als etwas verachtenswertes.
Viele, viele derartige Jugendliche (Mädchen wie Jungen) erlebten ihre ersten sexuellen Gefühle als eine Art "Dämon des Teufels" oder das "Schlechte", was es lt. elterlicher wie kirchlicher Lehre zu unterdrücken und "abzukühlen" galt. Dabei ging nicht selten die Vorstellung um, das man bereits durch einen Kuß oder gar bloße Berührung schwanger werden konnte. Uneheliche Schwange / Mütter gehörten zu den von der Kirche wie damit auch Gesellschaft diskriminierten Menschen, die aber auch schon ohne Diskriminierung genug Probleme gehabt hätten...
Die einhellige Meinung der Kirche: "Sex ist schlecht" macht den Menschen per se zum Sündenfall, denn Sexualität ist Teil seiner Natur und ist wichtig für seine Art. Die "Ausnahme" - ist nur zur Zeugung eines Kindes "zulässig" relativiert da wenig, da eine Frau nur in seltenen Fällen beim ersten Sexualkontakt schwanger werden dürfte. Wird sie es nicht, hat sie sich "versündigt"...
So zumindest waren die kommunizierten Ansichten der Kirche noch vor Jahrzehnten und selbst heute findet man wohl noch genug Priester, die so denken und kommunizieren wie auch betroffene Opfer.
Für den katholischen Pfarrer galt die - vorbestimmt - für sein gesamtes Leben und dessen war man sich wohl auch bewusst.
Unterdrückte Bedürfnisse wie psychische Spannungen waren noch nie gute Lebensberater - dafür die Basis für extremste Exzesse und schlimmste Gewalt in jeder Form.
Die Zuteilung "Opfer" und "Täter" wird in vielen Fällen wohl auch austauschbar anwendbar sein. Demnach wäre suchen, finden und beseitigen der Ursachen die beste und ehrlichste Lösung. Soweit diese in einer "ungesunden" Irrlehre der Kirche begründet war ist, sollte diese dazu stehen und diese beseitigen - das aber geht nur, wenn man es öffentlich tut und sich auch öffentlich uneingeschränkt (!) zu Fehlern bekennt - auch wenn die Kirche über tausend Jahre als "unfehlbar" galt.
Der Umgang mit diesem Theme wird - so meine Meinung - über die Zukunft der gesamten Kirche entscheiden. Glaubwürdigkeit kann man nur einmal verlieren und auch immer mehr Mitglieder suchen nach ehrlichen Antworten und Beseitigungen der Ursachen. D
ie Kirche hat es selbst in der Hand. Die schon gewohnte Beschwichtigungs- und Aussitzen-Politik wird diesmal nicht helfen (und sie beleidigt / diskriminiert die Opfer nur einmal mehr, da man jma schon bisher mundtot halten wollte), obgleich diese für die Kirche über Jahrhunderte oft erfolgreichste Strategie war...
Re: Lasset Eure Kindlein zu uns kommen
Verfasst: Dienstag 25. Mai 2010, 19:33
von Osolini