Lasset Eure Kindlein zu uns kommen

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Christel
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Re: Lasset Eure Kindlein zu uns kommen

Ungelesener Beitrag von Christel »

Heinrich, laut Statistik missbrauchen Frauen Kinder seltener. Ob das Heiraten bei den Männern hilft, ist eine andere Frage. Auch verheiratete Männer missbrauchen Kinder und Jugendliche.

Ich habe einen Artikel aus der „Herder Korrespondenz“ 3/10 S.119-123. Hier ein Link dorthin:
http://www.herder-korrespondenz.de/aktu ... ag=2296155
Dort steht u.a.:
Aus einer Umfrage, die unter den US-amerikanischen Diözesen durchgeführt wurde - dem so genannten John Jay Report - geht hervor, dass 40 Prozent der Opfer sexuellen Missbrauchs durch Priester Kinder oder Jugendliche im Alter zwischen 11 und 14 Jahren waren und es sich bei über 80 Prozent der Opfer um männliche Kinder beziehungsweise Jugendliche handelte.
Die Zahl ist sicher auch darauf zurückzuführen, dass meistens Männer Jungen und Frauen Mädchen betreuen.
Mancher Mann nimmt in der Not auch Jungen. Außerdem können die nicht schwanger werden...

Vielleicht stören sich homosexuelle Männer weniger am Zölibat, da sie sowieso nicht heiraten wollen?

Eine strenge bessere Auswahl von Kandidaten kann man schon jetzt durchführen. Trotz Priestermangel werden Männer auch abgelehnt.
Ohne Zölibat würden sich andere Männer melden. Die Mischung wäre von vornherein anders.
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
Heinrich5

Re: Lasset Eure Kindlein zu uns kommen

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Im katholischen Wochenblatt Ost-Deutschlands (für Dresden-Meißen, Erfurt, Görlitz und Magdeburg) "Tag des Herrn" wurde lange zu diesem Thema geschwiegen. Ich hatte schon fast den Eindruck, dass es kein Thema für dieses Blatt darstellt.

Erst jetzt in der Ausgabe Nr. 09/2010 vom 28.02. hat man Stellung genommen. Ein weiteres Interview soll folgen. Unter dem Titel "Bereit, die Opfer zu opfern?" fand ein Interview mit dem Beauftragten für sexuellen Missbrauch im Bistum Magdeburg, Dr. Nikolaus Särchen, statt.

Die Aussagen in diesem Interview sind schon sehr beachtlich und weisen in die richtige Richtung:

http://www.tag-des-herrn.de/front_conte ... dart=14050
Christel
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Re: Lasset Eure Kindlein zu uns kommen

Ungelesener Beitrag von Christel »

Heinrich, hast Du den „Tag des Herrn“ abonniert oder liest Du ihn nur im Internet?
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Heinrich5

Re: Lasset Eure Kindlein zu uns kommen

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Den "Tag des Herrn" lese ich natürlich nur im Internet. Auch nur ab und zu Mal. Meine Mutter hatte ihn aber abboniert. Ich erinnere mich, dass meine Mutter vor ca. 50 Jahren den untauglichen Versuch unternommen hat mich mit dieser Zeitung in der Hand "aufzuklären". Da kam sie etliche Jahre zu spät und ich habe mich aus purer Höflichkeit sehr dumm angestellt. Musste mir damals aber sehr das lachen verkneifen.
Christel
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Re: Lasset Eure Kindlein zu uns kommen

Ungelesener Beitrag von Christel »

Niels, es kommt auf die Perspektive an. Wir haben hier nur eine von vielen möglichen beleuchtet.
niels hat geschrieben:Ich würde es mir aber wünschen - für die, die dort immer noch sind.
Du kannst niemanden eine Freude machen mit etwas, was Du Dir wünscht, was den meisten Katholiken aber herzlich egal ist. Ein Leidensdruck dürfte hier nur bei Frauen vorhanden sein, die selbst Pfarrerin werden wollen und bei Menschen, denen es sehr wichtig ist, dass Frauen auch Priester sind.

Hinzu kommt der Umstand, das die katholische Kirche weltweit agiert. Frauen als Priester wäre sicher nicht überall durchsetzbar. Das könnte Ärger geben, Abspaltungen ...
niels hat geschrieben:aber dort, wo der Mensch jahrtausendelange Ungleichbehandlung erkannt hat, sollte auch die Kirche begreifen (nach "moraischem Selbstverständnis" eigentlich sogar vorangehen)...
Ich halte zwar den Gleichheitsgrundsatz für wichtig, aber nicht immer und in jedem Fall richtig oder vorteilhaft.
Z.B. gefällt mir die Angleichung des Rentenalters für Frauen an das der Männer überhaupt nicht. Aber mich hat keiner gefragt. Von einer Wehrpflicht für Frauen wäre ich ebensowenig erbaut!

Die Kirche muss nach ihrem Selbstverständnis die Gleichheit nicht vorantreiben.
Das „kath. Modell“ heißt nicht „Gleichheit“, sondern „Einheit in Vielfalt“.
Jesus war weder Sozialreformer noch Kommunist. Er lies die Strukturen unangetastet.

Jesus rief zu einer größeren Gerechtigkeit auf, das ist ein Unterschied.
- Gleichheit kann eine größere Gerechtigkeit sein, muss es aber nicht.
- Jesus setzt nicht bei den Strukturen an, sondern beim Einzelnen und seiner Gerechtigkeit.
- Wenn jeder Einzelne sich ändert, verändert sich die Gesellschaft.
Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus (als Gewand) angelegt.
Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid «einer» in Christus Jesus.
Wenn ihr aber zu Christus gehört, dann seid ihr Abrahams Nachkommen, Erben kraft der Verheißung.
Gal, 3, 27-29
Wird das ernst genommen, selbstverständlich und umgesetzt, dann wirkt es letztlich auch Struktur verändernd. Warum sollten Frauen keine Priester sein?

Es lässt sich jedoch nicht erzwingen. Aber wer sagt denn, das dies weltweit völlig gleich gehandhabt werden muss? Vielleicht wäre mehr praktizierte Vielfalt sinnvoller?
niels hat geschrieben:Dazu passt der hier mehrfach zitierte Spruch:
Tradition ist wie eine Laterne: Der Dumme hält sich daran fest, den andern leuchtet sie den Weg....
Oft wird hier nicht weit genug zurückgedacht! Was gerade bzw. was in den letzten 200 Jahren üblich war wird für die Tradition gehalten. Aber die Kirche hat eine 2000jährige Tradition.
Am Anfang hatten Frauen in der Kirche mehr Gewicht. Paulus war kein Frauenfeind, wie viele glauben. Damals haben auch Frauen Gemeinden geleitet.

Auch das ist Tradition:
Wer das Amt eines Bischofs anstrebt, der strebt nach einer großen Aufgabe.
Deshalb soll der Bischof ein Mann ohne Tadel sein, nur einmal verheiratet, nüchtern, besonnen, von würdiger Haltung, gastfreundlich, fähig zu lehren; er sei kein Trinker und kein gewalttätiger Mensch, sondern rücksichtsvoll; er sei nicht streitsüchtig und nicht geldgierig. Er soll ein guter Familienvater sein und seine Kinder zu Gehorsam und allem Anstand erziehen. (1. Tim 3, 1-4)
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Re: Lasset Eure Kindlein zu uns kommen

Ungelesener Beitrag von Christel »

Heinrich5 hat geschrieben:Den "Tag des Herrn" lese ich natürlich nur im Internet.
Das habe ich vermutet.

Im Internet steht immer nur eine kleine Auswahl der Artikel. In der Printausgabe steht wesentlich mehr!
In Nr. 9 gibt es noch den Artikel „Wir bittenund Verzeihung“ Erzbischof Zollisch zu sexuellem Mißbrauch / Juristen legt Zwischenbericht für Jesuitenorden vor.
In Nr. 8 Thema „Sexueller Missbrauch“
In Nr. 6 „ Missbrauchsskandal erschüttert Jesuiten“

Ich will jetzt nicht lange suchen. Das sind die Zeitungen, die ich gerade griffbereit liegen habe.
Ich wollte nur sagen der "Tag des Herrn" berichtet über solche Themen.
Er schwieg auch über dieses Thema nicht.

Es steht eben nicht alles im Internet!

Grüße Christel
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Heinrich5

Re: Lasset Eure Kindlein zu uns kommen

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Was ist das nur für eine erbärmliche Doppelmoral?
In Deutschland überschlagen sich die Meldungen über Verbrechen pädophiler katholischer Priester und in Polen wird eine Frau durch die katholische Kirche an den Pranger gestellt weil sie aus gesundheitlichen Gründen abtreiben will und muss. Der Frau blieb nichts anderes übrig als gegen die katholische Kirche zu klagen und sie hat Recht bekommen.

Ich bin überzeugt, das dass, was jetzt in Deutschland aufgedeckt wird auch in jedem anderen Land, ganz besonders auch im katholischen Polen möglich ist und irgendwann aufgedeckt wird. In Polen ist die Hemmschwelle der Opfer allerdings höher, als im weitgehend protestantischen bzw. atheistischem Deutschland, die Täter anzuzeigen.

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/ ... g-in-Polen
Christel
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Re: Lasset Eure Kindlein zu uns kommen

Ungelesener Beitrag von Christel »

Was ist Doppelmoral?
Der Ausdruck Doppelmoral bezeichnet eine gesellschaftlich praktizierte oder auch stillschweigend sanktionierte Moral, die „mit zweierlei Maß“ misst und ihr Werturteil zugunsten ihrer eigenen Bedürfnisse fällt. Dieser Vorgang muss nicht zwingend dem Handelnden auch bewusst sein.

Doppelmoral gibt es in allen Bereichen der Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und vielen anderen Bereichen, in denen zweierlei Maß angelegt wird.
http://de.wikipedia.org/wiki/Doppelmoral
Also in diesem Fall wäre es Doppelmoral, wenn die Kirche
- Missbauch bei ihren Amtsträger befürworten und begrüßen würde, eine Frau die missbraucht aber verurteilt.
- Abtreibung generell befürworten und durchführen würde, aber eine Frau, die abtreibt verurteilt.

Ich sehe keine Doppelmoral!
Die Kirche ist weder für Missbrauch, noch für Abtreibung!
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Re: Lasset Eure Kindlein zu uns kommen

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Dann ist ja alles Bestens bestellt mit der Moral der Kirche. :D
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Re: Lasset Eure Kindlein zu uns kommen

Ungelesener Beitrag von niels »

Sie Kirche ist weder für Missbrauch, noch für Abtreibung!
Ja,
zwar hat sie vom zweiten wenig Plan, dafür ist sie in ersterem offensichtlich "gut im Geschäft"...

Das Internat Ettal wurde ja durch die kirchlichen Medien (und durch das Internat selbst) als eines der besten in Europa gefeiert. Ein Abschluß "auf Ettal" galt bisher angeblich als Türöffner in "elitärste Kreise", die sonst wohl nur schlagenden Studentenverbindungen bekannt und offen waren...

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie das Marketing des Internats in einer Doku über die "üblen Zustände" auf den "gemeinen" Gymnasien phantasierte und alle "Nicht-Ettal-Absolventen" quasi als eine Art "zweitklassiger Abiturienten" ("Herangereifter"...) darstellten. Nun bekommt der Begriff "Reifeprüfung" natürlich gleich einen ganz neuen Anstrich...

was schließen wir daraus:
Nur wer auch persönlich bisexuelle Beziehungen mit dem "Lehrkörper" pflegte - bei Ungehorsam auch mal eins "fesch" mit dem Kleiderbügel auf's "Gesäß" bekam - kann und darf sich nach bayrisch-katholischen Maßstäben heute zur "Elite" der Gesellschaft zählen (und so z.B. CDU-Chef und bayrischer Ministerpräsident werden)...

Bleibt eigentlich nur noch offen:
Hat Strauß - der sich ja öffentlich auf's übelste gegen Homosexuelle äußerte - ähnliche Erfahrungen gemacht?

In dem Fall würde ich seine vielfachen menschlichen wie intellektuellen "Ausrutscher" tatsächlich verstehen können - die "sexualisierte Gesellschaft" hat sogar den höchstangebeteten Pfarrer verführen müssen - "da mus'ts ma doch endlich ma waß ton"...
Heinrich5

Re: Lasset Eure Kindlein zu uns kommen

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Jetzt sind auch Missbrauchsfälle in der Odenwaldschule, einem privaten Eliteinternat das als Unesco-Vorzeige-Modell gilt, bekanntgeworden. Die „Frankfurter Rundschau“ (FR) berichtet zudem, dass der Missbrauch von Schülern jahrelang vertuscht worden ist. Von 1971 bis 1985 könnte es bis zu 100 Opfer gegeben haben, heißt es in dem Bericht. Die private Odenwaldschule in Heppenheim mit gut 200 Schülern ist eine Unesco-Modellschule. Zahlreiche Prominente gehören zu ihren ehemaligen Schülern, darunter der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit und Klaus Mann. 2005 kürte das Wirtschaftsmagazin „Capital“ die Schule zur besten hessischen Schule mit gymnasialer Oberstufe.

Wenn die katholische Kirche jetzt glaubt, dass sie damit entlastet wird, irrt sie sich. Die Öffentlichkeit macht hier sehr wohl einen Unterschied zwischen kirchlichen und nichtkirchlichen Einrichtungen. Leider waren auch hier die Straftaten verjährt. Es wird notwendig sein die Verjährungszeit auf 30 Jahre zu erhöhen.

http://www.odenwaldschule.de/aktuell/os ... chten.html
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Re: Lasset Eure Kindlein zu uns kommen

Ungelesener Beitrag von niels »

ja,
ich frage mich denn immer noch, wie weit denn die Verschleierung einer Straftat, Strafvereitelung verjährt. Wei hier jemand juritsisch genauer Bescheid? Theoretisch erfolgte die Verschleierung durch Mitwisser ja noch bis vor wenige Wochen.

Warum interessiert sich für die kein Staatsanwalt?

Das Argument manch Kirchenvetreters, die Kirche "regele so etwas besser intern" nicht nachvollziehen. Das vor wenigen Tagen von der Kirche in einem Treffen mit Regierungsvertretern an die Öffentlichkeit gebrachte Angebot: man wolle "zukünftig in besonderen Fällen auch selbst die Staatsanwaltschaft einschalten - halte ich nicht nur für frech sondern wiederum strafbar.

Hmmm,
Genau das hat die Kirche ja auch in der Vergangenheit gemahcht und sich so juristisch mitschuldig an den fortführend begangenen nach unserem Recht schwersten Straftaten. Dennoch scheint niemand auch nur ein Ermittlungsverfahren gegen die Mitwisser einzuleiten.

D.h. die Kirche stellt sich wieder einmal selbst über unser rechtsstaatliches System, das JEDE Straftat gleich verfolgt / verfolgen muß. Es kann nicht sein, das die Kirche selbst bestimmen darf oder will, welche der Straftaten (oder auch Verdachtsfälle) von Ihr selbst und welche öffentlich "behandelt" werden. Ebenso sieht es keine "vormoralische Instanz" vor, in dem "moralisch Sondergestellte" eigenständig im Rechtssystem mitmischen können, dürfen oder gar sollen.

In unserem Staat hat gem. Grundgesetz die Kirche weder eine anerkannte, gleichsetzbare Judikative noch ähnlichen Hoheitsstatus. Das zugesagte "Entgegenkommen" der Kirche ist ein Bekenntnis gegen den Rechtsstaat und für die Machtverhältnisse des Mittelalters. Im heute scheinen so manche Kirchenmänner wohl immer noch nicht angekommen.
Heinrich5

Re: Lasset Eure Kindlein zu uns kommen

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Zum Thema Prävention bei Kindesmissbrauch gibt es zahlreiche Kampagnen staatlicher Stellen und privater Initiativen (neuerdings jetzt auch kirchlicher), die das Ziel haben Aufklärungsarbeit zu leisten und die Gesellschaft für dieses Thema zu sensibilisieren. Weitere Projekte zielen auf Kinder als potentielle Opfer sexueller Übergriffe ab. Zum einen wird hier versucht Verhaltensweisen zu vermitteln, die insbesondere Gewaltübergriffe durch fremde Personen verhindern sollen, zum anderen soll durch eine frühzeitige Sexualaufklärung Kindern ein Bewusstsein für ihr sexuelles Selbstbestimmungsrecht vermittelt werden. Präventionsprojekte die sich speziell an Pädophile als potentielle Täter richten gab es bis vor wenigen Jahren keine. Bestehende Therapieprojekte für Pädophile waren in erster Linie auf aus dem überführten Täterkreis stammende bereits straffällig gewordene Pädophile gerichtet.

Daran, dass eine rechtzeitige Anzeige von Tätern die erstbeste Prävention darstellen würde scheint in Deutschland noch keiner gedacht zu haben.

Kindesmissbrauch wird zwar strafrechtlich geahndet, es gibt aber hierfür (noch) keine Anzeigepflicht.

Anzeigepflicht bezeichnet eine Vorschrift des deutschen Strafgesetzbuchs (StGB), die die Pflicht zur Anzeige von bestimmten Verbrechen beinhaltet. Nach § 138 StGB kann bestraft werden, wer von dem Vorhaben oder der Ausführung von Landesverrat, Mord, Totschlag, Raub und Menschenraub oder eines gemeingefährlichen Verbrechens glaubhaft Kenntnis hat. Diese Kenntnis muss zu einer Zeit erfolgt sein, in der die Verhütung des Verbrechens möglich ist. Wenn dann unterlassen wird, der Behörde oder den bedrohten Personen rechtzeitig Nachricht zu geben, kann der Betreffende mit Freiheitsstrafe (bis zu fünf Jahren) oder Geldstrafe belegt werden.

Schwerer und wiederholter Missbrauch an Kindern gehört offensichtlich hier leider nicht dazu.

Bei der Nichtanzeige anderer geplanter Straftaten macht man sich aber straffällig:

Nichtanzeige geplanter Straftaten ist in Deutschland in bestimmten Fällen nach § 138 des Strafgesetzbuches (StGB) strafbar. Geplanter Kindesmissbrauch gehört offensichtlich nicht zu diesen bestimmten Fällen.
Es heißt hier:
Wer von dem Vorhaben oder der Ausführung eines der folgenden Verbrechen zu einer Zeit, zu der die Ausführung oder der Erfolg noch abgewendet werden kann, glaubhaft erfährt und es unterlässt, der Behörde oder dem Bedrohten rechtzeitig Anzeige zu machen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. In bestimmten Fällen und für bestimmte Personen (z. B. Geistliche – Beichtgeheimnis) gelten Ausnahmen, siehe § 139 StGB.
Aufgeführt werden folgende Verbrechen:
Vorbereitung eines Angriffskrieges, Hochverrat, Landesverrat, Geld- oder Wertpapierfälschung, Mord, Totschlag, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen, eine Straftat gegen die persönliche Freiheit, Krimineller Menschenhandel, Menschenraub, Verschleppung, Erpresserischer Menschenraub, Geiselnahme, Raub oder räuberische Erpressung, eine gemeingefährliche Straftat, Brandstiftung, Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie Missbrauch ionisierender Strahlen, Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens, Herbeiführen einer Überschwemmung, Gemeingefährliche Vergiftung, Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr, Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer, Angriffe auf den Luft- und Seeverkehr.

Wie schon festgestellt: Kindesmissbrauch ist hier nicht mit aufgeführt. Man könnte fast sagen, das Gesetz begünstigt Kindesmissbrauch.

Ich bin ja nun kein Jurist. Vielleicht irre ich mich hier auch. Vielleicht ist Kindesmissbrauch eine Straftat gegen die persönliche Freiheit (das wäre anzeigepflichtig). Was persönliche Freiheit ist, ist wohl auch unterschiedlich auslegbar und vielleicht fällt hier das Persönlichkeitsrecht mit rein. Das Persönlichkeitsrecht dient dem Schutz der Persönlichkeit einer Person vor Eingriffen in ihren Lebens- und Freiheitsbereich. Aber im deutschen Recht ist das Persönlichkeitsrecht als solches nicht ausdrücklich geregelt. Es zeigt sich auch hier, dass mit dem Persönlichkeitsrecht kein umfassender Schutz gegen die zunehmenden Beeinträchtigungen des persönlichen Lebens- und Freiheitsbereichs gewährt werden kann.

Auch hiermit wird wohl eher das Intimleben, der Intimbereich der Täter geschützt.
Meiner Meinung nach hat der Gesetzgeber hier jede Menge dringenden Handlungsbedarf. Nicht nur bei der Erhöhung der Verjährungsfristen für Kindesmissbrauch.
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Re: Lasset Eure Kindlein zu uns kommen

Ungelesener Beitrag von niels »

hallo Heinrich,

Dein letztes Posting bringt mich etwas durcheinander. M.W. regelt das Strafgesetzbuch, das bzw. wie Mitwisser einer Straftat diese zur Anzeige zu bringen haben, wenn sie sich nicht selbst strafbar machen wollen - auch Strafvereitelung gehört m.W. dazu.

Haben z.B. die Chefs oder andere Mitarbeiter der Kirche oder Bildungseinrichtungen von den Vorgängen gewusst, hätten sie diese schon nach geltendem Recht zur Anzeige bringen müssen. Daran hätte PP 138 juristisch überhaupt kein bischen geändert - daher weiß ich nicht, wie Du darauf kommst...

Der PP 138 richtet sich m.W. (ausschließlich) an geplante Vorhaben - aber keine begangenen Taten. Ob jemand einen Kindesmißbrauch tatsächlich plant, dürfte in den wenigsten Fällen ermittelbar wie nachweisbar sein (es sei denn es ist bereits bekannt, das derjenige dies bereits min. einmal getan hat, womit 138 auch nicht mehr nötig wäre). Damit wäre keinem geholfen. "geplanten Kindesmißbrauch" mit in den Absatz zu nehmen, mag manch juristischem Laien (abgesichts der aktuellen Mediendebatten) möglicherweise "logisch" klingen - dann aber müssten wir ebenso alle anderen schwereren Straftaten erfassen. Nach unserem rechtsstaatlichen Strafrecht aber ist jeder solange nicht straffällig, solange er die Straftat nicht begangen hat, selbst wenn er erst unmittelbar vor dem geplanten Begehen der Tat aus freiem Willen von seinem Vorhaben ablässt. Das ist auch ganz gut so, denn nur so bleibt dem potentiellen Straftäter die Option "bis zum Schluß" von seinem Vorhaben abzulassen und nur so belegbar, das jemand keine Straftat, derer er bezichtigt wird, aus freiem Willen begangen hätte. Gedanken sind zudem frei und demnach nicht strafbar (jedenfalls noch)...

Ich sähe in einem solchen juristischen Vorhaben jedenfalls keinen Sinn und kann mir nicht vorstellen, das dies auch nur einem einzigen Kind geholfen hätte.

Es gibt allerdings eine Unterscheidung bei Straftaten, die (allein) innerhalb einer Familie begangen worden sind. Zum einen ist es keinem Familienmitglied zumutbar gegen ein anderes gegen seinen Willen wegen einer Straftat auszusagen. Zudem sind einige Delikte verfolgungsfrei, wenn das betroffene Familienmitglied keinen Antrag stellt / Anzeige macht (Beleidigungen, Körperverletzungen u.ä.). Demnach wäre es juristisch auch nicht zumutbar, einer Mutter die Aussage gegen den Vater aufzuzwingen. Da sklingt zwar, paradox, aber hier greifen dann andere juristische Mechanismen - z.B. Jugendamt usw.

Bei den hier dargestellten Fällen traf dies alles nicht zu. Die Taten wurden weder binnen einer (biologischen - so sieht es das Gesetz ja vor) Familie begangen noch von dieser gedeckt / vereitelt / verschleiert.

Da die Taten ja - soweit ich verstehe - auch nach Bekanntwerden durch Dritte weiterbegangen worden sind, liegt hier m.E. nicht nur Strafvereitelung sondern sogar Begünstigung bis hin zur Beihilfe vor. Insoweit die Betreffenden sogar Beamte waren und die Taten ja auch binnen der Ausführung des Amtes erfolgten (nehme ich mal an), hätte in jedem Fall gemeldet werden müssen.

Es gäbe also eine ganze Reihe Ansatzpunkte für die Staatsanwaltschaften.

Allerdings halte ich eine Ausweitung der Verjährungsfristen für Sexualstraftaten für sinnvoll (nicht nur sexueller Mißbrauch Minderjähriger), da binnen der Beteiligten z.T. starke "Abhängigkeitsverhältnisse" oder den Betreffenden Einschränkungen der Persönlichkeit bestehen können - sei es familiär o.ä..

Eine Ausweitung auf z.B. die üblichen 30 Jahre oder möglicherweise (für schwerere Fälle) auch unbegrenzt halte ich für akzeptabel / sinnvoll. Die Frist sollte aber auch ebenso die treffen, die solche Straftaten wissentlich decken. Ich denke das sollte man dann aber auch nicht nur an Kindern festmachen. Allerdings können sich binnen z.B. 50 Jahren die kulturellen Vorstellungen / "Moralvotive" einer Gesellschaft recht relevant ändern - in jede Richtung. Was vor 50 Jahren unvorstellbar war ist heute "normal" wie genau so andersherum. Gerade Grenzfälle können da Unklarheiten schaffen.
Heinrich5

Re: Lasset Eure Kindlein zu uns kommen

Ungelesener Beitrag von Heinrich5 »

Zitat Niels:
Bei den hier dargestellten Fällen traf dies alles nicht zu. Die Taten wurden weder binnen einer (biologischen - so sieht es das Gesetz ja vor) Familie begangen noch von dieser gedeckt / vereitelt / verschleiert. Da die Taten ja - soweit ich verstehe - auch nach Bekanntwerden durch Dritte weiterbegangen worden sind, liegt hier m.E. nicht nur Strafvereitelung sondern sogar Begünstigung bis hin zur Beihilfe vor. Insoweit die Betreffenden sogar Beamte waren und die Taten ja auch binnen der Ausführung des Amtes erfolgten (nehme ich mal an), hätte in jedem Fall gemeldet werden müssen.
Es gäbe also eine ganze Reihe Ansatzpunkte für die Staatsanwaltschaften.
Ja, so sehe ich das auch. Deshalb wundert es mich ja auch und ich verstehe es nicht, warum die Staatsanwaltschaft nicht handelt.

Zur Strafvereitelung lese ich im § 258 StGB Absatz 1
(1) Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nummer 8 ) unterworfen wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Die nachfolgenden Absätze 2 bis 6 treffen hier nicht zu. Eventuell noch der Absatz 6:
(6) Wer die Tat zugunsten eines Angehörigen begeht, ist straffrei.
Der eingeschobene § 11 Absatz 1 Nr. 8 im Absatz 1 bezieht sich auf das Wort „Maßnahme“. Maßnahme wird hier definiert als: (8. Maßnahme: jede Maßregel der Besserung und Sicherung, der Verfall, die Einziehung und die Unbrauchbarmachung.

Wir als juristische Laien sehen in den oben genannten Fällen den Strafbestand der Strafvereitelung als gegeben an. Staatsanwaltschaft und Justiz offenbar nicht.
Ist eine unterlassene Anzeige für die Staatsanwaltschaft bzw. die Justiz keine Strafvereitelung?
Zitat Niels:
Haben z.B. die Chefs oder andere Mitarbeiter der Kirche oder Bildungseinrichtungen von den Vorgängen gewusst, hätten sie diese schon nach geltendem Recht zur Anzeige bringen müssen. Daran hätte PP 138 juristisch überhaupt kein bischen geändert - daher weiß ich nicht, wie Du darauf kommst...
Wir Laien sehen das so. Staatsanwaltschaft und Justiz definiert das geltende Recht wohl anders. Deshalb bin ich mal der Frage nachgegagen inwieweit hier Anzeigepflicht besteht. Es muss ja eine Erklärung für die unterlassene Strafverfolgung geben.
Bei Wikipedia ist zu lesen:
In Deutschland besteht keine allgemeine Anzeigepflicht außer für Vollzugsbeamte, die zur Erforschung von Straftaten berufen sind. Von Privatpersonen muss von Gesetz wegen lediglich die Planung bestimmter, in § 138 StGB aufgeführter Straftaten angezeigt werden; siehe Nichtanzeige geplanter Straftaten. Eine Pflicht zur Anzeigenerstattung bereits begangener Straftaten besteht für Privatpersonen von Gesetz wegen grundsätzlich nicht.http://de.wikipedia.org/wiki/Strafanzeige
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