Nicht nur im "Alten Testament" sondern auch im "Neuen Testament" der Christen finden sich viele fragwürdige Vorstellungen, inhumane und ethisch bedenkliche Vorstellungen und Passagen.
Nur eine idealisierende Sicht und eine selektierende und tendenziöse Auswahl biblischer Stellen führen dazu, dass das Neue Testament in seiner eben auch vorhandenen rückständigen Weltsicht nicht oder nur unvollständig wahrgenommen wird.
Ethisch fragwürdige Positionen finden sich auch in der Briefliteratur des Neuen Testaments, unter anderem auch bei Paulus. Auch Paulus, auf den im eigentlichen Sinn die Kirche gebaut ist (
und nicht auf Petrus, wie es im Matthäusevangelium steht und wie die Katholische Kirche noch heute glauben machen will), erweist sich in vielen seiner Äußerungen als ein Kind seiner Zeit und deren Anschauungen.
Wie in den Evangelien finden wir hier ein
Nebeneinander von Zuckerbrot und Peitsche. Auf der einen Seite Aufruf zu gegenseitiger Liebe und Verständnis, andererseits aber schwerste Schmähungen für alle diejenigen , die sich weigern, die neue Lehre von Christus anzunehmen. Oder sich auch nur erlauben, als Juden bei ihrem alten Glauben zu bleiben.
Auch bei Paulus finden wir das bekannte Schwarz-Weiß-Denken, und wenn man die Reichweite seiner Schriften und Theologie bedenkt, hat dieser Missstand später zu gravierenden Konsequenzen geführt.
Im Römerbrief „überführt“ Paulus zunächst die Ungläubigen, die Gott nicht erkennen, der Sünde. Dieser Unglaube ist unentschuldbar.
Paulus:
Der Zorn Gottes wird geoffenbart vom Himmel her über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten, weil das von Gott Erkennbare unter ihnen offenbar ist, denn Gott hat es ihnen geoffenbart. (Röm 1,18 – 19)
Nach Paulus kann also jeder Mensch durch eigene Bemühungen Gott erkennen. Wenn er Gott nicht erkennt ist dies ein Zeichen seiner Sünde. Es versteht sich von selbst, dass bei dieser Grundanschauung es auch bei Paulus keine Werte wie Toleranz oder die Respektierung von Andersgläubigen gibt. Und so finden sich neben positiven Passagen in seinen Briefen auch viele Hasstiraden gegen Andersgläubige. Es wurde in der altchristlichen Literatur und bei den Kirchenvätern später geradezu üblich, den Andersgläubigen alle möglichen sittlichen Verfehlungen pauschal zuzuweisen und alle Schlechtigkeiten auf ihnen zu vereinigen.
Paulus:
Und wie sie (die Ungläubigen) es nicht für gut fanden, Gott in der Erkenntnis festzuhalten, hat Gott sie dahingegeben in einen verworfenen Sinn, zu tun, was sich nicht geziemt: erfüllt mit aller Ungerechtigkeit, Bosheit, Habsucht, Schlechtigkeit, voll von Neid, Mord, Streit, List, Tücke, Ohrenbläser, Verleumder, Gottesverhasste, Gewalttäter, Hochmütige, Prahler, Erfinder böser Dinge, den Eltern Ungehorsame, Unverständige, Treulose, ohne natürliche Liebe, Unbarmherzige. Obwohl sie Gottes Rechtsforderung erkennen , dass, die solches tun, des Todes würdig sind, üben sie es nicht allein aus, sondern haben auch Wohlgefallen an denen , die es tun. (Röm 1,28-32)
Der Psychologe Buggle schreibt dazu:
„Wir haben hier eines der zahlreichen Beispiele undifferenzierter Schwarzweißmalerei und Verteufelung gegenüber Außengruppen, wie es weniger entwickelte, unreife psychische Strukturen generell kennzeichnet (….).“
(Franz Buggle, Denn sie wissen nicht was sie glauben S. 85)
Auch für Paulus ist es unstrittig, dass die derart Abqualifizierten das Gericht zu erwarten haben, dass ihnen ewiges Verderben droht; auch sie enden im flammenden Feuer der Hölle. Es ist erschütternd zu sehen, dass auch bei Paulus, der mit seiner Lehre von der Rechtfertigung allein aus dem Glauben einen theologischen Entwurf vorgelegt hat, der durchaus bemerkenswert ist, das Bedürfnis zu richten (das selbstverständlich nicht sein Bedürfnis ist, sondern das unterstellte Bedürfnis Gottes) so ausgeprägt ist, dass es seine eigene Gnadenlehre konterkariert.
Paulus:
Dann übt er Vergeltung an denen, die Gott nicht kennen, und dem Evangelium Jesu, unseres Herrn, nicht gehorchen (….), mit ewigem Verderben werden sie bestraft (2. Thess 1,7-9)
Es spielt keine Rolle, dass es sich beim zweiten Thessalonicherbrief nach fast übereinstimmender Meinung der Forschung gar nicht um einen echten Paulusbrief handelt, sondern um eine Fälschung. Das Gericht ist auf alle Fälle einer seiner theologischen Topoi. Unverblümt äußert er sich im ersten Brief an die Korinther:
Paulus:
Wer den Herrn nicht liebt, der sei verflucht. (1. Kor 16,22)
Siehe auch:
viewtopic.php?f=10&t=5039&p=21790&sid=6 ... 70c#p21790
„Seit den neutestamentlichen Wundergeschichten hat sich das Christentum bis heute immer mehr zu einem Wunderglauben entwickelt, hat sich in immer sonderbareren Kuriositäten und Abstrusitäten entfaltet und verflüchtigt. Und diese sind so sehr das Maß christlichen Glaubensverständnisses geworden, dass einer, der heute an nichts anderes glauben will als an Jesus und dessen Auferstehung in den Augen der Kirche ein Ketzer ist.“
Uta Ranke-Heinemann
„Gott ist die aufs Lächerlichste vermenschlichte Erfindung der ganzen Menschheit. In den Jahrmilliarden, die unsere Erde alt ist, sollte sich Gott erst vor 4.000 Jahren den Juden und vor rund 2.000 Jahren den Christen offenbart haben, mit deutlicher Bevorzugung der weißen Rasse unter Vernachlässigung der Schwarzen, der Gelben und der Rothäute?
Claire Goll (1891 – 1977)