emery hat geschrieben: Montag 10. Dezember 2018, 05:36
Hi, Holuwir. Ich schätze dein Projekt, umfangreich und im Detail Rechenschaft über deinen Standpunkt zu geben, sehr. Auch wenn ich hundert (oder so) Einwände im Detail habe und mehrere im Großen und Ganzen: Es zeigt, wieviel ehrliche Arbeit, Mühe und Zeit du aufwendest, um den Dingen auf den Grund zugehen.
Danke für die Blumen
Nach meiner Ansicht ist Naturwissenschaft kein autarkes System, dass sich selbst genügt.
Kann man es überhaupt als System bezeichnen? Ich betrachte jede Forschung, die sich mit der Natur befasst und dabei das Prinzip der Falsifikation anwendet, als Naturwissenschaft. Sicher kann man das systematisch und organisiert betreiben, aber das ist nicht deren entscheidendes Merkmal.
Sie ist eingebettet in einen Rahmen, der unter anderem in ihrer Geschichte, unserer Kultur und den sozialen Bedingungen der Wissenschaftler besteht.
Das ist die Voraussetzung für Weiterentwicklung. Jeder setzt sinnvollerweise auf den Forschungsergebnissen anderer auf. Das beflügelt und ist die Voraussetzung für immer tieferes Eindringen. Aber das ist kein festgelegter Rahmen, sondern ergibt sich von selbst.
Desweiteren macht jede Theorie Annahmen, die in der Theorie selbst nicht belegt werden.
Aber das sind doch Hypothesen, die jeder Theorie vorausgehen und nacheinander falsifiziert werden. Viele scheiden dabei aus, da sie eben nicht belegt werden können. Wie sagte sinngemäß Harald Lech so schön: Jede naturwissenschaftliche Theorie blickt auf einen Friedhof von Hypothesen.
Kausalität und das Kausalprinzip sind Beispiele für Voraussetzungen, bevor es eigentlich losgeht.
Mit dieser Aussage kann ich nach wie vor nichts Rechtes anfangen. Dass alles seine Ursache haben muss, ist für mich keine wissenschaftliche Erkenntnis, sondern eine alltägliche Selbstverständlichkeit. Das gehe ich ganz unintellektuell an.
Indem du "Erscheinung" gegen "Ereignis" austauschst, gehst du kurzfristig dem Problem aus dem Weg Kausalität mit bekannten Ursache-Wirkungs-Beziehungen zu erklären oder sie auf eine Wechselwirkung mindestens einer der 4 Grundkräfte der Physik zurückführen. Du kannst dich aber fragen, was du mit dem Austausch des Begriffs gewinnst -- und was du verlierst.
Tue ich das? War mir nicht bewusst.
"Ereignis" ist ein engerer Begriff, der sich auf etwas Objektives bezieht, dem man einen Ort in der Raumzeit zuordnen kann. "Erscheinung" ist weniger eng und kann auch Abstraktes wie Annahmen, Prinzipien, Theorien etc. einschliessen.
Naja, mit Begriffen ist das so eine Sache. Wir brauchen sie zur Verständigung, aber wir haben nicht die Gewähr, dass die Gegenüber sich genau das darunter vorstellen, was wir meinen. Viele Diskussionen sind nur deswegen so langwierig, weil man versäumt, exakt zu definieren. (Andererseits baut Rabulistik gerade darauf, Definitionen zu vermeiden, um genau diesen Zustand herbeizuführen und durch Definitionsunterschiede gleicher Begriffe in den Augen der Zuhörer recht zu behalten, wo man unrecht hat. Aber das hier nur nebenbei.

)
Kausalität ist kein Ereignis, aber sehr wohl eine Erscheinung (nach meinem Sprachgefühl). Und deswegen funktioniert dein Austausch des Begriffs. Ein Photon, das auf einen Sensor trifft, ist ein Ereignis, das Standardmodell (als abstrakte Theorie) nicht. Was meinst du: kann man das Standardmodell auf Wechselwirkung mindestens einer der 4 Grundkräfte der Physik zurückführen?
Da können wir jetzt alle möglichen Gesichtpunkte durchgehen. Ist z. B. Nordlicht Ereignis oder Erscheinung? Ist eine Hochzeit ein Ereignis? Der erste Kuss? Blitz und Donner eine Erscheinung? Ein einzelner Blitz ist ein Ereignis, nein es sind Billiarden Ereignisse, wenn man sich auf die beteiligten Atome und Elektronen bezieht. Blitze im allgemeinen sind eine (Natur-)Erscheinung.
Ich denke, so kommen wir nicht weiter. Meine Ausführungen hier sind immer vor dem Hintergrund der Schöpfungslehre zu sehen. Die angebliche Erschaffung der Welt als eine Folge vieler, von einem allmächtigen Gott bewusst herbeigeführter, Ereignisse ist die Glaubensgrundlage der großen Religionen. Mit dem Glauben an diesen Gott gewinnen die Führer der Religionen Macht über Menschen und veranlassen sie in ihrem Sinne zu handeln. Ich setze dem die heutige Sicht physikalischer Zusammenhänge entgegen, die mir geholfen hat, das geistige Gefängnis eines solchen Glaubens zu verlassen und die Angst vor einem Verlust angeblicher göttlicher Belohnungen vollständig zu überwinden. Vor diesem Hintergrund gibt es für mich keine Ereignisse, keine Erscheinungen oder wie auch immer man das bezeichnen soll, die sich nicht natürlich oder als menschengemacht erklären ließen.